Einmal Spielplatz und zurück bitte...

 

ENDLICH blinzeln die ersten Sonnenstrahlen

vom Himmel – die fleißigen Bienen und

Hummel gehen auf Blumensuche, die Shirts

und Hosen werden langsam kürzer…. der

Frühling ist da!

Voller Tatendrang schnappe ich mir

meinen 2jährigen Sohnemann und

beschließe, den nicht allzu weit entfernten

Spielplatz aufzusuchen. Bewaffnet mit Eimer,

Schaufel, einem Mützchen - um die mäßige

Haarpracht zu schützen - Jause für eine

Kompanie und einem guten Buch für mich, machen wir uns auf den Weg. Rauf auf das Dreirad, den Gurt straff und los geht die Fahrt!!! Der Kleine quiekt vor Vergnügen wenn wir uns durch die Menschenmenge der Stadt schleichen.  Wir kommen an einer Kreuzung zu stehen und voller Interesse begutachtet er die vielen Lastwagen und Kräne dazu noch die Bauarbeiter, die gerade unter lautem Getöse und Geschrei sich miteinander verständigen. „Heast du Oasch – schau gefälligst, dass du dein Scheiß beinand hast… sunst klopf i da oane!“ „Ah – geh hoam du Reabeidl, i hob des oisse im Griff!“

Daniel beginnt zu lachen und wiederholt fortlaufend „Oasch – Scheiß“ – wie ein Mantra hat sich das in sein Gedächtnis gebrannt. Prima… das kann ja noch was werden.

Von der Ferne hören wir bereits Kinderstimmchen und Mama’s die leicht hysterisch nach ihren Kindern rufen, jedoch dabei die Coolness in Person darstellen wollen. Das klingt dann in etwa so: „Sabrina?“ (Wobei das Sa und ina dann schon schrill hoch gesprochen wird) „Neeeeeein, pfui, wir essen keine Blätter vom Busch.“ (man beachte die WIR-FORM – dem Kind immer das Gefühl geben nicht alleine in seiner Misere zu stecken) „Davon bekommen wir nur Bauchzwicken und das wollen wir ja nicht!“ (Übersetzung: Verdammt nochmal ich hab absolut keine Lust, dass du dir heute wieder die Seele aus dem Leib kotzt und ich dein Bett dreimal neu überziehen muss – nur weil du nicht auf mich hören wolltest!!!! Grrrrrr….) „Sei brav und geh hinüber zu Hans-Joachim-Benedikt und bau ein schönes Türmchen für Mama!“ Mit dem Endergebnis, dass sich Sabrina genüsslich das nächste Blatt in den Rachen stopft und Mama ein gekünsteltes Lachen aufsetzt, hinüber geht mit bös/grimmiger Miene und mit ihrem Augenstern im Krabbelalter ein ernstes 4-Augengespräch führt, warum es von Nöten ist, auf seine fürsorgliche Bezugsperson zu hören. 10 Minuten später siehst du exakt DIESES Kind vor einem anderen Busch sitzen und eben andere Blätter in sich hineinstopfen… neverending Story.

 

Jedenfalls betreten wir das riesige Areal, das alles zu bieten hat,  was sich ein Kinderherz wünschen kann… angefangen von Schaukeln, Rutschen, Spielhäuschen, Wippe und vielem mehr. Sogar ein freies Bänkchen erwische ich direkt neben der Sandkiste – PERFEKT! Wie gemacht für mich. Ich setze Daniel hinein, verstreue seine Spielsachen um ihn herum und platziere mich genüsslich auf die Holzbank. Mit einem Auge ständig prüfend auf meinem Kind mit dem zweiten in der jeweiligen Zeile des Buchs. Sieht vermutlich mehr als schräg aus, ist aber äußerst effektiv. Somit konnte ich auch sofort bemerken, dass sich so ein Schläger mit im Sandkasten befindet. Er schielt bereits die ganze Zeit auf den Bagger meines Kleinen, robbt sich Zentimeter für Zentimeter heran, bevor er gnadenlos zuschlägt und seine puddingverklebte Hand sich um die Baggerschaufel schließt. Daniel – gutmütig wie er ist, nimmt sich sein Schäufelchen und belädt seinen Lastwagen ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Ich schnaube laut aus – hat denn die Mutter dieses Rowdys das nicht mitbekommen? Scheinbar nicht, denn sie ist abgelenkt von ihren anderen 2 Kindern die lärmend über den kompletten Spielplatz verstreut sind. „Schantalle – tu doch mal die Omma die Türe aufmachen. Ja genau. OMMA! Hier – Bank – Tisch – Kannst Beine hochlegen!“

Nein bitte nicht – doch, sie deutet mit ihren klobigen Fingern genau auf die zweite Bank gegenüber von mir. Oh wie ich das liebe, wenn Menschen mit übermäßigem Stimmvolumen sich in meiner Nähe aufhalten. Ich sehe frustriert auf, die Frau nickt mir kurz zu, platziert ihre Tasche voller Essensrationen laut auf dem Tisch, zeitgleich ruft sie ihrem Spross in der Sandkiste ein paar liebevolle Worte entgegen.  „Kevin! Tu doch mal die Omma winken – ah fein macht er das!“ Sie legt ihren Kopf schief und grinst ihn kurz an – Momente später entdeckt sie Kind Nummer drei am Klettergerüst, der mit dem Kopf nach unten hängend schon knallrot ächzt. „Tschastin! Mach dein Kopp doch mal richtig rum, hä?“ Mit einem wahrnehmbaren Seufzer nimmt sie neben mir Platz. „Lieb die Kleinen, nä?“

Ich nicke verlegen und halte demonstrativ nochmal mein Buch in die Höhe und konzentriere mich darauf – ich versuch es wenigstens.  Denn eine lange Verschnaufpause lässt mir  die liebe Dame nicht. „Oh guck doch mal! Ne Mäh! Omma – nimm die Schantalle und mach ma die Mäh ei!“  Oh Gott allein dieser Satz hat MICH um etliche Punkte verblöden lassen – ich bin entsetzt über den Wortschatz über die Selbstverständlichkeit diese wenigen Worte grammatikalisch komplett falsch zu verwenden und …. die armen Kinder.  Genervt greife ich mir an die Nasenwurzel, ich entscheide mein Buch auf die Seite zu legen und mit Daniel zur Schaukel zu gehen. Als wir die Sandkiste verlassen, stürzt sich der kleine Rowdy postwendend auf unser Spielzeug – soll er … viel Vergnügen. Beim Gehen höre ich nur noch „Ei, fein, tut der Kevin schön brumm brumm machen, jaaaaa!“

Ich meine, ich bin nun sicher keine dieser Übermama’s die ihre Kinder bereits im Fötusstadium bei einer musikalischen Früherziehung anmelden, oder vor dem Kindergarten noch mit ihnen Japanisch lernen müssen – Gott bewahre – aber WAS soll da rauskommen? Ich höre meinen Kleinen aufjaulen vor Vergnügen – oh wie herrlich dieses Kinderlachen klingt. Immer höher schupfe ich ihn an und das Grinsen in seinem Gesicht wird immer größer. Genau für SOLCHE Momente schleppe ich mich auf den Spielplatz – nicht um Kontakte zu knüpfen, sondern um meinem Kind unbeschwerte Momente zu bescheren. Beinahe hab ich schon die penetrante Familie vergessen, bis OMMA neben mir zum Stehen kommt, anstatt die wenigen Schritte zu ihrer Tochter hinüber zu gehen wird dies per „Luftpost“ ausgetauscht, kurzum - es wird gebrüllt.

„EEEEEEERIKA! Die Schantalle mag Nammi – was  haste?“

Mir klappt der Mund nach unten – ich werfe einen Kontrollblick auf Schantalle – ein Mädchen mit etwa 9 Jahren, die sicher der normalen deutschen Sprache mächtig ist und keinesfalls Nammi haben will ... sondern hungrig ist! Verdammt nochmal!

Ich schnappe mir Daniel aus der Schaukel und stelle ihn auf den Boden. Da legt OMMA nochmal einen nach. „Na, haste Gesichtswurst mit? Und ein wenig Blubberwasser – aber da muss ich immer Bäuerchen machen.“

Genug ist genug. Gerade will ich loslegen um OMMA samt Mama so richtig die Meinung zu geigen, da spricht mich ein Mann von der Seite an. „Entschuldigen Sie?“

Ich drehe mich bösartig um, gifte ihn an und pfauche in einem Ton der Dobermänner kuschen lassen würde: „WAAAAAAAS?“

Für einen Moment zuckt er erschrocken zusammen, kleinlaut spricht er weiter. „Ist das da drüben rein zufällig Ihr Sohn?“

Um Himmels Willen bei all den frustrierten Gefühlen die ich wegen dieser fremden Familie aufgebracht habe, habe ich gerade Daniel total aus den Augen verloren. Gott sei Dank ist das Gelände überschaubar und eingezäunt. Meine Stimme schlägt wieder in den mütterlichen Modus um. „Ja, wo… ja ist er… was?“

„Ich glaube Sie sollten ihn lieber holen, er teilt sich gerade einen Knochen mit dem Hund am Nachbartisch.“

Meine Kinnlade fällt nach unten – WIE EKLIG IST DAS DENN BITTE. Ich bedanke mich hastig und sprinte die paar Schritte bis zu unserem Sitzplatz  hinüber. Tatsächlich kniet mein Knirps am Boden und fingert genüssliche an einem Kauknochen herum. Ich kann ein Würgegefühl nur schwer unterbinden und schäme mich auch gerade in Grund und Boden. Am Tisch sitzt inzwischen die gesamte Familie um Tschastin versammelt und verspeist ihre Brötchen mit Gesichtswurst und sieht mich herablassend an. Ich hole Feuchttücher aus der Wickeltasche, säubere meinen quiekenden Sohn, sammle hastig alle Spielsachen zusammen und verstaue Daniel auf seinem Dreirad. Bevor ich gehe kommt Erika nochmal auf mich zu, klopft mir auf die Schulter und sagt: „Keine Sorge, haben meine Kinder auch gemacht und man sieht aus ihnen ist auch was geworden, nä?“ Mir sinkt mein Kopf nach unten… ja, ist wohl wahr. Ich marschiere zum Ausgang hinüber und mein Sohn setzt noch den letzten Funken Selbstachtung den ich habe volle gegen die Mauer indem er lauthals schreit: „Oasch-Scheiß!“ Alle Köpfe drehen sich nochmal in unsere Richtung.

Ich glaube ich kenne auch noch einen bezaubernden Spielplatz am anderen Ende der Stadt.

 

 

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